Das Thema Beweglichkeit und Beweglichkeitstraining rückt (zum Glück!) seit wenigen Jahren ein wenig in den Vordergrund.

Lange Zeit fristete das Beweglichkeitstraining in der gesamten Sportwissenschaft eher ein Schattendasein. Jeder hatte scheinbar eine andere Meinung, wie ich bereits in meinem Beitrag: Beweglichkeit – Fakten, Mythen und Erfahrungen, zeigte.

Aber es gibt noch mehr Themen, die damit im Zusammenhang stehen. Zum Beispiel das Thema mit den Faszien, das mittlerweile auch überall zu finden ist. Zahlreiche Trainer und Sportlehrer sind verwirrt und wissen schon gar nicht mehr, was sie unterrrichten sollen oder können.

Hier eine kleine Übersicht zu relevanten Beiträgen, die helfen sollen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen:

Beweglichkeit im Zusammenhang mit der Sterblichkeit?

Eine wissenschaftliche Arbeit, die von der Universität von Rio de Janeiro im Jahr 2012 veröffentlicht worden ist, ist besonders interessant. Näheres zu dieser Arbeit habe ich bereits in diesem Beitrag vorgestellt und diskutiert: Ein Beweglichkeitstest zur Voraussage des Sterblichkeitsrisikos?

Auf YouTube gibt es eine interessante Dokumentation mit Dr. Chris van Tulleken und Angela Rippon, einer britischen Journalistin, die in ihrem Beitrag genau diesen Beweglichkeitstest in der Praxis vorstellen und interpretieren. Wenn Sie Youtube nach  „How To Stay Young – The Body“ suchen, dann finden Sie sicher die Dokumentation der BBC dazu.

Wie aussagekräftig dieser Test wirklich ist, und welche anderen wissenschaftlichen Studien es gibt, die sich mehr oder weniger gezielt mit diesem Thema beschäftigen, dies habe ich versucht herauszufinden, indem ich einmal die wissenschaftliche Literatur dazu „durchgewühlt“ habe.

Denn eine Studie ist keine Studie; und eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und hier ist das Ergebnis.

Bewegung (in) der Wissenschaft

Eine der etwas älteren Arbeiten zu diesem Thema kommt aus Kanada und wurde 2001 veröffentlicht:

Musculoskeletal fitness, health outcomes and quality of life.

In dieser Arbeit fassen die Autoren zusammen, dass ein Aspekt körperlicher Gesundheit auf dem muskuloskeletalem System (Bewegungsapparat) beruht. Und hier zählen 3 Komponenten: Muskelstärke, Ausdauer und Flexibilität (Beweglichkeit). Die Muskelstärke ist definiert als die maximale Kraft, die ein Muskel oder eine Muskelgruppe ausüben kann bei einer spezifischen Geschwindigkeit.

Die Ausdauer ist die Fähigkeit des Muskels oder der Muskelgruppe, wiederholte Kontraktionen gegen ein Gewicht oder eine Widerstandskraft über einen längeren Zeitraum ausüben zu können. Die Flexibilität hat 2 Komponenten, die dynamische und statische Flexibilität.

Die dynamische Flexibilität besteht in dem Widerstand eines Gelenks gegen Bewegung, das heißt, dass die Kräfte sich eher gegen die Bewegung richten und nicht so sehr gegen den Bewegungsradius selbst. Die statische Flexibilität ist der Bewegungsradius, der als Winkelveränderung am Ende der Gelenkbewegung gemessen wird.

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Falls Stärke, Ausdauer und Flexibilität nicht trainiert und gekräftigt werden, lässt die Fitness des Bewegungsapparates nach, was einen signifikanten Einfluss auf die körperliche Gesundheit haben kann. Es gibt eine Reihe von gesundheitlichen Vorzügen, die mit der Gesundheit des Bewegungsapparates verbunden sind, wie zum Beispiel reduzierte Risikofaktoren für koronare Herzerkrankungen, eine erhöhte Knochendichte (geringeres Risiko für Osteoporose), eine erhöhte Beweglichkeit, eine verbesserte Glucosetoleranz und eine bessere Fähigkeit, Aufgaben im Alltag zu bewältigen.

Interessant ist die Aussage der Autoren, dass je früher ein Mensch in seinem Leben mit körperlichen Aktivitäten begonnen hat, desto ausgeprägter die positiven Effekte auf seine körperliche Gesundheit auch bis ins spätere Alter erhalten bleiben. Sie machen aber sofort klar, dass körperliche Aktivitäten im fortgeschrittenen Alter ebenso ihre physiologischen Vorzüge besitzen.

Oder mit anderen Worten: In Sachen Sport und körperlicher Bewegung gilt der Spruch vom „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ keinesfalls. So ist das Alter allein kein limitierender Parameter für eine verbesserte Fitness des Bewegungsapparates, zum Beispiel durch Widerstandstraining kombiniert mit Dehnungsübungen. Diese sind verantwortlich für eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitsstatus. Von daher glauben die Autoren, dass die Verbesserung und Beibehaltung der Fitness des Bewegungsapparates ausschlaggebend ist für eine hohe Lebensqualität, weitestgehend unabhängig vom Alter.

Musculoskeletal fitness and risk of mortality.

Auch diese Arbeit kommt aus Kanada und wurde 2002 veröffentlicht. Ziel der Arbeit war die Abhängigkeit zwischen Zustand des Bewegungsapparates und Mortalität in der kanadischen Bevölkerung zu ermitteln.

Die Teilnehmer waren 8116 Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 69 Jahren, die 1981 an einer Fitness-Befragung teilgenommen hatten. Die Beurteilung der muskuloskeletalen Fitness beruhte auf Durchführungen von Situps (Rumpfbeugen), Liegestütze, Griffstärke und einer Übung des Rumpfes, die die Flexibilität im Sitzen testet. 13 Jahre nach dieser Befragung waren 238 Teilnehmer verstorben. Insgesamt ergaben sich 101.685 Personen-Jahre. Bei der Beurteilung des Mortalitätsrisikos wurden Alterungseffekte, Rauchen, BMI und Lungenkapazitäten mit einbezogen.

Resultate: Für die Flexibilität des Rumpfes oder Liegestütze ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein verändertes Mortalitätsrisiko. Jedoch zeigte sich ein signifikant erhöhtes Risiko bei den Situps im unteren Quartil bei Männern und Frauen gleichermaßen. Die Griffstärke bei Frauen ergab keine Hinweise auf eine veränderte Mortalität. Bei den Männern zeigte sich eine 49-prozentige Erhöhung des Mortalitätsrisikos im unteren Quartil.

Schlussfolgerung der Autoren: Die Resultate lassen die Vermutung zu, dass einige Teilbereiche der muskuloskeletalen Fitness, besonders Situps als Zeichen der Ausdauer der Bauchmuskulatur, einen Aussagewert über das Mortalitätsrisiko haben, besonders bei einer wenig ausgeprägten Fitness.

School fitness tests as predictors of adult health-related fitness.

Diese finnische Arbeit aus dem Jahr 2006 hatte sich zur Aufgabe gestellt, anhand von 45 Teilnehmern (20 Männern und 25 Frauen) einen Bezug zwischen der körperlichen Fitness von Jugendlichen und deren Einfluss auf Fitness und Gesundheit im Erwachsenenalter zu beschreiben. Die Teilnehmer nahmen an einem Fitnesstest im Jahr 1976 teil, der dann im Jahr 2001, also 25 Jahre später, modifiziert wiederholt wurde.

Der Test im Jahr 1976 bestand aus Langlauf (2000 Meter für die Jungen und 1500 Meter für die Mädchen), 50 Meter sprinten, Klimmzüge, 30 Sekunden Situp Test und andere. 25 Jahre später bestanden die Tests in einem Fahrradergometer-Test, Situps, Griffstärke-Test etc.

Ein Vergleich der Daten von 1976 mit denen von 2001 zeigte, dass Langlauf und Rumpfflexibilität für Männer und Situp-Tests, Klimmzüge und BMI für Frauen Aussagen über die körperliche Fitness im Erwachsenenalter zuließen.

Body mass index, exercise capacity, and mortality risk in male veterans with hypertension.

Diese Arbeit wurde 2012 in den USA durchgeführt. Die Autoren untersuchten hier die Interaktionen zwischen Fitness, Übergewicht und Mortalitätsrisiko bei Personen mit Bluthochdruck.

Die Studie wurde mit 4183 männlichen Veteranen mit Hypertonie durchgeführt. Das durchschnittliche Alter lag bei 63,3 Jahren, plus/minus 10,5 Jahre. Das Kollektiv wurde in 3 Gruppen aufgeteilt, basierend auf dem BMI: Normalgewicht bei BMI <25; Übergewicht BMI 25-29,9; Adipositas BMI >30. Weiter gab es 3 Fitness-Kategorien, die auf metabolischen Parametern beruhten: wenig fit, mittelmäßig fit und sehr fit.

Resultate: Die Teilnehmer wurden über den Zeitraum von 7,2 Jahren beobachtet, in dem 1000 Teilnehmer verstarben. Der Zusammenhang zwischen Häufigkeit von körperlichen Aktivitäten und Mortalitätsrisiko war sehr stark, invertiert und in Abhängigkeit von der Intensität der Ausübung.

Für jeden Punkt in der Verbesserung der metabolischen Parameter in der Beurteilung der körperlichen Fitness sank das Risiko um ca. 20 Prozent für Teilnehmer mit Normalgewicht, 12 Prozent für Teilnehmer mit Übergewicht und 25 Prozent für Teilnehmer mit Adipositas. Ein Vergleich mit normal gewichtigen Teilnehmern mit geringer Fitness zeigte ein 60-prozentig geringeres Mortalitätsrisiko in der Gruppe mit Übergewicht und hohem Fitnessgrad; und ein 78-prozentig geringeres Mortalitätsrisiko der Gruppe mit Übergewicht und hohem Fitnessgrad.

Schlussfolgerung der Autoren: Erhöhte Übungskapazitäten und Fitness sind mit einem geringeren Mortalitätsrisiko verbunden, wobei der BMI keine Rolle zu spielen scheint. Das Risiko bei übergewichtigen und adipösen aber sonst fitten Teilnehmern war signifikant geringer als bei normalgewichtigen Teilnehmern mit nur geringer Fitness. Von daher schließen die Autoren, dass ältere Männer mit Hypertonie unabhängig vom jeweiligen BMI gesundheitliche Vorteile durch eine Verbesserung ihrer Fitness erzielen können.

Fitness vs. fatness on all-cause mortality: a meta-analysis.

Keine Studie ohne Metaanalyse. Die Autoren dieser 2014 erschienenen Arbeit kamen bemerkenswerterweise zu dem gleichen Schluss wie ihre amerikanischen Kollegen in der Arbeit zuvor. Die von ihnen gesichteten Daten zeigen, dass übergewichtige und adipöse, aber körperlich fitte Probanden ein ähnliches Mortalitätsrisiko haben wie normalgewichtige fitte Probanden. Sie empfehlen deshalb, den Fokus seitens der Gesundheitspolitik weniger auf Abnehm-Kampagnen zu legen, sondern eher auf die Verbesserung der körperlichen Fitness.

Mein Fazit: Verbesserung der körperlichen Fitness gepaart mit einer abwechslungsreichen, naturbelassenen, gesunden Ernährung wird in der Regel auch Gewichtsprobleme langsam und sicher in der Folge lösen helfen.

Age-specific exercise capacity threshold for mortality risk assessment in male veterans.

Die amerikanischen Autoren dieser Arbeit aus dem Jahr 2014 gehen bereits davon aus, dass ein gewisser Fitnessgrad das Mortalitätsrisiko sinken lässt. Es steht jedoch noch die Frage aus, wie hoch dieser Fitnessgrad sein muss, um zu einer signifikanten Senkung des Risikos zu gelangen.

Dazu beobachteten sie 18.102 männliche Veteranen. Jeder von ihnen durchlief einen Fitnesstest in den Jahren zwischen 1986 und 2011 ohne Zeichen einer Ischämie zu zeigen. Es wurden Grenzwerte für metabolische Parameter definiert in Abhängigkeit von Alterskategorien von unter 50, 50-59, 60-69 und über 70 Jahren und keiner erhöhten Mortalität für diese Altersklassen.

Dann formierten die Autoren altersspezifische Fitnesskategorien, die auf den metabolischen Parametern basierten, mit Gruppen für „keine Fitness“, „wenig Fitness“, „mittelmäßige Fitness“, „normale Fitness“ und „hoher Fitnessgrad“. Ein Vergleich des Fitnessgrades in Abhängigkeit von der Altersgruppe zeigte, dass unabhängig von der Altersklasse die Mortalität in den beiden niedrigen Fitness-Gruppen signifikant erhöht war, jedoch erniedrigt in den Kategorien „mittelmäßig fit“, und „normaler und hoher Fitnessgrad“. Die Trends für eine Beurteilung der 5-Jahres- und 10-Jahres-Mortalität zeigten dabei kaum Unterschiede.

Die Autoren schlossen, dass die Beurteilung des Mortalitätsrisikos in erster Linie vom Fitnessgrad und den damit verbundenen metabolischen Parametern abhängig ist und erst in zweiter Linie vom Alter.

Fazit

Alter und Übergewicht sind Parameter, auf denen eine ganze Industrie herumreitet, wenn es darum geht, die entsprechenden Produkte anzupreisen. Gegen das Alter gibt es Cremes und Schönheitspillen. Gegen Übergewicht gibt es die unterschiedlichsten Abnehm-Strategien und Produkte, die natürlich alle „wirklich wirken“.

Teil dieser Strategie ist die körperliche Bewegung, die aber niemals so viele Kalorien verbrennt wie man mit einer Cola oder einem Big Mac innerhalb von 10 Minuten sich einverleiben kann. Darum sind körperliche Aktivität für das Abnehmen ebenso unsinnig wie das Fasten.

Körperliche Bewegung wird erst dann sinnvoll, wenn sie der Erhöhung der körperlichen Fitness dient. Denn wer übergewichtig ist und neben der Verbesserung der Fitness durch Sport und Training gleichzeitig eine entsprechende gesunde Ernährung sich angedeihen lässt, der hat auch große Chancen, sein Gewicht zu regulieren oder eventuelles Übergewicht abzubauen.

Fazit vom Fazit: Körperliche Bewegung ist wichtig für die körperliche Fitness, die wiederum wichtig ist für das individuelle Wohlbefinden, die Gesundheit und Widerstandskraft gegen Erkrankungen. Körperliche Bewegung mit Abnehmen in Verbindung zu setzen ist eine unzulässige Abkürzung, die mit der biologischen Realität des Organismus nichts zu tun hat.

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Dieser Beitrag wurde am 24.5.2017 erstellt.